Kompetenz, Zugehörigkeit und Autonomie

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Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan – Teil 1

Drei Grundbedürfnisse

Thema Arbeitsmotivation

Sie erinnern sich noch gut an die Weihnachtsabsprachen mit der Familie im letzten Jahr? Sie haben vielleicht Konflikte bei der Urlaubsplanung mit Ihren Kollegen? Ihr Chef kommt immer dann mit einer neuen Aufgabe auf Sie zu, wenn sie gerade richtig gut mit einem anderen Projekt vorankommen und am liebsten nicht gestört werden wollen? Wahrscheinlich kennt jeder diese Situationen, in denen man mit den Erwartungen von anderen Menschen konfrontiert wird, und sich diese Erwartungen nicht mit den eigenen decken.

Wir alle haben das Bedürfnis eine gewisse Freiheit haben zu wollen, sich selbst für oder gegen eine bestimmte Handlung zu entscheiden. Wir kommen als kleine Hedonisten und Entdecker zur Welt, die gern Spielen und Spaß haben wollen – und machen schnell Bekanntschaft mit sozialen Regeln, Erwartungen der anderen sowie Belohnungen und Sanktionen, die auf unser Verhalten folgen. Wir lernen unweigerlich, mit anderen zu teilen, oder dass wir an einer roten Ampel stehen zu bleiben haben. Nach und nach wachsen wir in diese Gesellschaft hinein, zeigen Leistung, wenn es von uns verlangt wird, und fühlen uns dann kompetent. Wir folgen nicht mehr nur unserer inneren Lust und Unlust, sondern passen unser Verhalten an die Erwartungen der anderen an: gehen rechtzeitig zur Arbeit und erledigen dort unsere Aufgaben. Die Anerkennung der anderen gibt uns ein Gefühl der Zugehörigkeit. Und dennoch bleibt der Wunsch, sich selbst auszusuchen, wann man was tut. Manchmal haben wir sogar Lust etwas zu tun und verlieren diese, wenn andere uns genau zu dieser Handlung auffordern – beispielsweise Ordnung an unserem Arbeitsplatz zu schaffen.

Autonomie

Die Bedürfnisse nach Kompetenz, Zugehörigkeit und Autonomie

Diese drei Bedürfnisse sind nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan zentral, wenn es darum geht, die Motivation für eine Handlung zu verspüren: Das Bedürfnis sich kompetent zu fühlen, das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und auch das Bedürfnis nach Autonomie. Alle drei sind in jedem Menschen vorhanden, aber in unterschiedlicher Ausprägung.

Frau Weber legt sehr viel Wert darauf, über ihre Arbeitsaufgaben hinaus gute Leistungen zu zeigen. Es ist ihr eigener Maßstab, den sie für sich sehr hoch angesetzt hat. Es geht nicht darum, bloß keine Fehler zu machen. Vielmehr hat sie viel Freude, neue Dinge zu lernen und auszuprobieren. Sich im Handeln kompetent zu fühlen macht sie sehr leistungsmotiviert. Daher meldet sie sich gern zu Weiterbildungen an – auch in ihrer Freizeit.

Im Gegensatz dazu sind Frau Weber die an sie gerichteten Erwartungen der Kollegen und Vorgesetzten weniger wichtig – vielleicht auch, weil sie diese in Bezug auf ihre Arbeitsleistungen in der Regel nicht enttäuscht. Ihrem Kollegen im Büro, Herrn Hoffmann, geht es da anders. Dieser ärgert sich regelmäßig über die Abteilungsleiterin, weil diese ihm kein Feedback zu seiner Arbeit gibt. Auch organisiert er jedes Jahr liebevoll das Betriebsfest und die Weihnachtsfeier in dem Bemühen ein gutes Klima zwischen den Kollegen und Kolleginnen zu schaffen. Ihm ist die soziale Zugehörigkeit besonders wichtig. Daher kann er Frau Webers Gelassenheit gegenüber dem Tratsch und Klatsch in der Teeküche oft nicht nachvollziehen.

Frau Weber erledigt ihre Arbeitsaufgaben sehr selbständig und der Freiraum dafür wird ihr gewährt, denn ihre Vorgesetzte setzt großes Vertrauen in sie. Frau Weber hat aber auch kein Problem damit, wenn diese ihr klare Vorgaben für ein Projekt macht und auch erwartet, dass Frau Weber sich kleinlich daran hält – solang das nicht in jedem Projekt der Fall ist und sie regelmäßig auch autonome Entscheidungen treffen darf. Der Kollege Herr Wagner hat dagegen ein enormes Problem damit und baut innere Widerstände gegen Projekte auf, wenn die Vorgesetzte ihm gelegentlich Vorgaben macht. Auch er hat ein großes Bedürfnis, sich kompetent zu fühlen. Aber bei ihm ist das Bedürfnis nach Autonomie, also selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, besonders stark ausgeprägt. Vielleicht wäre es interessant für ihn, sich selbständig zu machen, um alle unternehmerischen Entscheidungen selbst treffen zu können. Auch Herr Hoffmann möchte nicht nur Vorgaben erfüllen, sondern einen gewissen Freiraum haben, wie er seine Aufgaben erledigt. Für ihn spielt Autonomie aber eine geringere Rolle als das Gefühl, seine Aufgaben kompetent zu erledigen und eine noch geringere als die soziale Zugehörigkeit und Anerkennung durch die anderen.

Es ist also eine Frage der Persönlichkeit, welche Bedürfnisse in uns besonders ausgeprägt sind, auch wenn all diese Bedürfnisse eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen. Aber wie kommt es, dass unsere Bedürfnisse so unterschiedlich ausgeprägt sind?

Die Bedeutsamkeit der Selbstbestimmung

Deci und Ryan haben Ihre Theorie der Arbeitsmotivation Selbstbestimmungstheorie genannt, weil Sie dem Bedürfnis nach Autonomie eine besondere Bedeutung zu messen. Autonomie setzt sich aus den altgriechischen Worten autós selbst und nomos Gesetz zusammen und bedeutet demnach Eigengesetzlichkeit im Sinne der Selbstbestimmung oder Entscheidungs- und Handlungsfreiheit.

Die Autoren unterscheiden zwischen Amotivation – einem Zustand der Lustlosigkeit etwas zu tun, der extrinsischen Motivation und der intrinsischen Motivation. Vielen dürfte die Unterscheidung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation ein Begriff sein. Während die intrinsische Motivation einen Zustand beschreibt, bei dem man aus sich selbst heraus die Lust verspürt, Dinge zu tun oder auch zu unterlassen, weil man sie nicht mag, wird extrinsische Motivation durch äußere Umstände wie Belohnung und Bestrafung oder kulturelle Zwänge auferlegt.

Tatsächlich greift diese Beschreibung der extrinsischen Motivation etwas zu kurz. Um zu verstehen, warum Autonomie in dieser Theorie so eine bedeutsame Rolle spielt, lohnt es sich die Entstehung von extrinsischer Motivation genauer anzuschauen. Denn genau genommen gibt es verschiedene Formen der extrinsischen Motivation, die mit einem unterschiedlichen Maß an Autonomie zusammenhängen, und unser Verhalten beeinflussen.

Lesen Sie dazu mehr im nächsten Beitrag zur Selbstbestimmungstheorie, der am 13. Januar 2020 veröffentlicht wird.

 

Über den Autor

Ina Echterhof

M.Sc. Psychologin

www.beratung-echterhof.de
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Telefon: 0241/ 56 00 49 51

Von Ina Echterhof

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