In eigener Sache: Lizenz-Rechtsstreit gewonnen

I

Wie wir uns von einer Abmahn-Kanzlei nicht haben einschüchtern lassen

Von kostenträchtigen Abmahnverfahren hatten wir natürlich auch schon gelesen. Da wir aber sorgfältig arbeiten und keine auch nur halblegalen Dinge tun, sahen wir uns auf der sicheren Seite. Bis eines Tages im August 2020…

Paragraph, Richterhammer

Es traf uns beide in einer Urlaubssituation. Wie war das für dich, Magdalena?

„Frisch aus dem Urlaub zurück, gut erholt und bester Laune, wartete ein großer Stapel Briefe auf mich. Das Schreiben der Kanzlei fiel zwischen den ganzen Rechnungen und Werbeblättchen direkt auf. Nach dem Öffnen und Lesen des Schreibens, war die Erholung direkt vergessen und mein Puls – dank der genannten Summen – deutlich erhöht. Da im Schreiben auch sehr knappe Fristen genannt waren, musste ich dich unmittelbar von der Abmahnung in Kenntnis setzen.“

Ich las deine Mail mitten im Urlaub. Es ging um ein Foto in einem meiner Blogbeiträge. Ich war mir sicher, dass ich dafür eine rechtmäßige Lizenz gekauft hatte, aber…

Die Fotoagentur gab es nicht mehr

Wie sollten wir den Nachweis führen? Zwei Abende verbrachte ich auf dem Sofa der Ferienwohnung und suchte in alten Rechnungen.

Zum Glück hatte ich damals, zwei Jahre zuvor, das Angebot angenommen, mein Kundenkonto zu der aufkaufenden Firma zu übertragen. Eine der ganz großen Fotoagenturen, deren Preise allerdings für unsere Blogbeiträge zu hoch waren, so dass ich da kaum mehr etwas gekauft hatte. Aber immerhin hatte ich den Account! In meiner Kaufhistorie konnte ich den Eintrag finden, wann ich das besagte Foto mit welcher Lizenz heruntergeladen hatte. Ich machte einen Screenshot und hatte einen ersten Beweis.

Eine spezialisierte Rechtsberatung

Magdalena, du warst ja zunächst vertrauensvoll und wolltest der Gegenseite in einer Mail alles erklären?

„Ja, in meinem unmittelbaren Umfeld war ein Fall bekannt, bei dem die Abmahnung nach Präsentation der gekauften Bildlizenz zurück genommen wurde. Ich hatte Hoffnung, dass wir auch so einfach davon kommen könnten. Rückblickend war es jedoch gut, dass wir uns direkt um Rechtsbeistand gekümmert haben und keine eigenen Beschwichtigungsversuche gewagt haben.“

Nach dem Urlaub recherchierte ich nach solchen Abmahn-Fällen und damit befassten Rechtsberatern. Uns wurden ja Fristen gesetzt, daher war es eilig. Ich fand eine Rechtsanwältin in Berlin, die einen fast identischen Fall schilderte, den sie gewonnen hatten.

Du warst einverstanden und nahmst den Kontakt auf. Es beruhigte enorm, eine kundige Fachfrau an unserer Seite zu haben, aber wir mussten auch erstmal Geld investieren.

Das Foto samt Spuren entfernen

Du hattest dann eine Menge Arbeit, um das Foto aus unserem Blog zu entfernen?

„Das Entfernen des betroffenen Fotos von unserem Blog wurde in dem Abmahnschreiben gefordert. Es dürfte jedoch allgemein bekannt sein, dass sich Inhalte nicht einfach so aus dem Internet entfernen lassen. Daher musste ich zunächst das Bild entfernen, danach aber über eine Bildersuche schauen, wo die Abbildung als Verweis auf den Blogbeitrag zusätzlich noch verlinkt war. Dort musste sie ebenfalls entfernt werden. Teilweise konnte ich das selbst vornehmen, z.B. bei Xing und Linkedin, an anderen Stellen musste ich Kontakt zu den Webseitenbetreibenden aufnehmen. Um sicher zu gehen, haben wir uns dann dazu entschieden, sämtliche Bilder, deren Lizenz wir nicht gespeichert hatten, von unserem Blog zu entfernen und gegen andere Bilder auszutauschen.“

Gemeinsam gegen die Ungerechtigkeit

Sehr froh war ich, dass dieser Rechtsstreit die gute Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen uns nicht zerstört hat. Du als Beklagte hättest ja einfach entscheiden können, dass du die gut tausend Euro Abmahngebühr bezahlst und sie mir als Verursacherin in Rechnung stellst. Das Foto stand schließlich in meinem Blogartikel.

Entscheidend war für uns beide, dass wir eine solche Abmahnpraxis als Unrecht empfinden, was sich nicht lohnen soll. Die klagende Anwaltskanzlei ist dafür bekannt. Das Geschäftsmodell läuft wohl so, dass der Autor sein Foto für solche Abmahnungen frei gibt, er geht kein Risiko ein und bekommt vermutlich Anteile an den Abmahneinnahmen.

Verhandlung vor dem Amtsgericht

Recht haben heißt ja nicht automatisch auch, Recht zu bekommen.

„Wir haben zunächst eine Unterlassungserklärung mit allen Infos über die Anwältin an die Kanzlei geschickt. Darauf gab es keinerlei Reaktion. Im Januar 2021 erhob die Gegenseite Anklage gegen uns, weil der geforderte Betrag nicht gezahlt wurde.“

Nun ging es vor das Amtsgericht. Mit Spannung sahen wir dem Termin entgegen. Wir haben gewonnen, aber die Freude war nur von kurzer Dauer, denn die Gegenseite ging in Berufung und verklagte uns Anfang 2021 vor dem Landgericht.

Ein langer Atem nötig

Unsere Rechtsanwältin war weiter optimistisch. Sie konnte die Reaktionen der Gegenseite immer gut einschätzen. Aber für mich war es schon belastend, wie lange sich die Sache hinzog. Die drohenden Kosten war ja auch angestiegen, mittlerweile ging es um etwa fünftausend Euro, falls wir unterliegen sollten

Die Beweisführung vor dem Landgericht war noch einmal eine große Hürde. Die Screenshots von meinem Kundenkonto würden nun nicht mehr ausreichen. Ich sollte eine Bestätigung des Kaufs inklusive der damals gültigen Lizenzbedingungen beibringen. Von einer Fotoagentur, die es nicht mehr gab.

Durch die Kundenservice-Abwehrmauern einer US-Firma

Die Abwehrmauern der großen US-Fotoagentur zu durchdringen, das kann man sich – wie im Märchen – als Kampf durch ein Dornendickicht vorstellen. Wie komme ich an Unterlagen aus 2018 von der inzwischen geschluckten Agentur? Mehrere Tage war ich immer wieder damit beschäftigt.

Gefühlt endlos hangelte ich mich durch die Untermenüs meines Kundenaccounts. Dann ein erster Erfolg: ein Chat mit einem echten Menschen! Hinweise zu Stellen in dem Großkonzern, die weiterhelfen könnten. Immerhin wurde mein Problem verstanden. Die Zwischenergebnisse schickte ich immer an unsere Rechtsanwältin, damit sie anderen Betroffenen auch weiterhelfen konnten.

Inzwischen war ich bei Zuständigkeiten der US-Zentrale angekommen. Wobei mein Englisch leider schon so eingerostet ist! Doch dann erhielt ich die entscheidende Auskunft: Es gab noch eine Stelle im Konzern, die für die ehemalige, nun fusionierte Foto-Agentur zuständig ist.

Die entscheidende license.pdf

Ich schrieb eine Mail und am nächsten Tag bekam ich als Antwort von einem Herrn Gomez eine unkommentierte license.pdf zugemailt. Achtung! Nicht dass ich mir noch eine Ransomware auf den PC hole. Ich prüfte also erstmal gründlich mit mehreren Virenscannern, und als keine Fehlermeldungen kamen, öffnete ich die Pdf: Meine Fotolia-Lizenz!

Ich mailte den Erfolg sofort an die Rechtsanwältin, damit andere Betroffene diesen Weg auch nutzen könnten.

Beim Landgericht: Die Gegenseite spielt auf Zeit

Nun waren wir gut gerüstet für den Prozess beim Landgericht. Erst im Sommer sollte der Termin sein. Wir warteten voller Spannung, doch dann wurde der Termin nochmal verschoben. Der Klagevertreter sei verhindert. Der nächste Termin im Herbst. Auch der verschoben. Schließlich kam es im Februar 2022 zur Verhandlung.

Der Prozessgegner erschien nicht. Er wurde in Abwesenheit verurteilt und wir atmeten auf: Wir haben gewonnen! Doch nur für ein paar Tage. Dann erfahren wir, dass die Gegenseite Widerspruch eingelegt hat. Begründung würde nachgereicht.

„Dadurch, dass sich die einzelnen Verfahrensschritte immer wieder so lang hingezogen haben, konnte ich den Prozess ganz gut in den Hintergrund drängen. Zudem war es eine unheimliche emotionale Erleichterung, das Verfahren bei unserer Anwältin in guten Händen zu wissen. Ich vertraute sehr auf ihre Kompetenz und auch unsere kooperative und von Zusammenhalt geprägte Arbeit hat mich darin bestärkt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Auch wenn die Anwalts- und Verfahrenskosten inzwischen den ursprünglichen Abmahnwert überstiegen hatten. Dass der Gegner letztendlich nicht zum Gerichtstermin erschienen ist, war frustrierend. Im Rückblick ist das Vorgehen der Kanzlei nachvollziehbar.  Nur so konnte verhindert werden, dass ein rechtmäßiges Urteil das eigene Geschäftsmodell in Frage stellen würde.“

Im Juni 2022 dann der neue Termin. Weiteres Warten, wieder ein No-Show der Gegenseite, die wiederum in Abwesenheit verurteilt wird. Eine Woche bis zur Urteilszustellung, zwei Wochen Einspruchsfrist… Dann haben wir endlich final gewonnen!

Androhung der Zwangsvollstreckung

Unsere Kosten müssen von der Gegenseite erstattet werden. Doch ohne Androhung der Zwangsvollstreckung läuft auch das nicht. Doch unsere Rechtsanwältin kennt das und setzt es durch. Inzwischen ist es August 2022 – zwei volle Jahre sind vergangen.

Wir kamen ohne Kosten aus der Sache raus. Die gefühlte dunkle Wolke über mir ist weg. Und wir konnten unsere Rechtsauffassung verteidigen. Die Rechtmäßigkeit unseres Fotogebrauchs wurde gerichtlich bestätigt.

Über den Autor

Sabine Neugebauer

Kommentar hinzufügen

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Archiv

Kategorien

Schlagwörter