Um einmal den Ablauf des BEM-Prozesses beispielhaft darstellen zu können, konnten wir zwei Betriebsratsmitglieder einer größeren Aktiengesellschaft gewinnen. Sie bringen 6 Jahre und hunderte Gespräche BEM-Erfahrung mit und berichten direkt aus der Praxis.
Wie ist das BEM in Ihrem Unternehmen gestaltet?
Es gibt bei uns eine Betriebsvereinbarung, in der auch ein Gesprächsleitfaden, ein Fragebogen und ein Einladungstext zum BEM-Gespräch festgehalten sind. Der Text müsste eigentlich dringend überarbeitet werden. Er ruft eher Angst und Sorge hervor, als dass die Mitarbeiter das Gefühl bekommen, dass man ihnen helfen möchte. Da hilft es dann oft, dass wir hier am Standort sehr bekannt sind und durch Gespräche die Betroffenen über das BEM-Verfahren informieren. Inzwischen nehmen über 60% der Eingeladenen am Gespräch teil.
Unsere Personalabteilung wertet einmal im Monat aus, wer länger als 6 Wochen krank war. Die Betroffenen werden dann mit unserem Einladungsschreiben und dem Fragebogen angeschrieben und zum Gespräch eingeladen. Teilnehmer sind dann jemand von der Personalabteilung, wir vom Betriebsrat und die betroffene Person.
Unser Eindruck ist allerdings auch, dass man vielen gar nicht helfen kann. Zum einen, weil es schwierig ist, Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Krankheitsursache nicht bekannt ist. Zum anderen, weil viele auch keine Konfrontation wünschen, wenn es um Mobbing oder Bossing geht. Dabei könnte man dort ja eingreifen oder auch einen Arbeitsplatzwechsel ermöglichen. Viele wollen das aber einfach nicht. Unsere Erfahrung ist auch, dass psychische Erkrankungen deutlich zunehmen. Und da ist es meist nicht so einfach, die Problematik aus der Welt zu schaffen.
Die Einstellung in unserem Unternehmen ist BEM gegenüber sehr positiv. Letztendlich kostet jeder, der ausfällt, Geld. Und die Arbeit bleibt ja trotzdem liegen. Daher ist es sinnvoll, sich auch mal mehr Zeit für BEM zu nehmen, wenn das nötig ist.
Wir vom Betriebsrat haben uns so aufgeteilt, dass zwei Personen überwiegend für die BEM Gespräche zuständig sind. Von der Personalabteilung kommen auch meist die gleichen Kollegen dazu. So haben wir zwar kein offizielles BEM-Team, sind aber meist die gleichen Personen mit einer Menge an Erfahrung. Das kommt den Betroffenen dann zu Gute.
Welche Erfahrungen – positiv oder negativ – haben Sie mit dem BEM gemacht?
Nicht helfen zu können, ist eine negative Erfahrung. Die Leute sind einfach oft zu gehemmt, um wirklich eine Veränderung zu wollen. Andererseits ist es toll, wenn man die Leute wieder lächeln sieht. Das ist das größte Dankeschön, das wir bekommen. Denn, wenn wir mal ehrlich sind, wirklich „Danke“ sagt eigentlich niemand. Aber das ist schon in Ordnung.
Welche Schulungen empfehlen Sie zum Thema BEM?
Beim BEM ist vor allem ein Netzwerk mit Betriebsräten aus anderen Unternehmen wichtig. Da kann man sich gegenseitig super unterstützen und bei kniffeligen Fällen austauschen. Diese Netzwerke lassen sich am besten bei Schulungen bilden. Wir haben zum Beispiel Angebote des IFB genutzt, das ist ein spezielles Schulungsinstitut für Betriebsräte. Darüber hinaus helfen auch die Berufsgenossenschaften super weiter.
Welchen Sorgen begegnen Sie in den BEM Gesprächen?
Das ist ganz unterschiedlich. Die größten Sorgen sind oft bei Mobbingfällen zu sehen. Da werden keine Namen von Tätern genannt und meist auch keine Unterstützung gewünscht. So kann dann aber leider keine Verbesserung für die Betroffenen erreicht werden.
Wenn jemand große Sorgen vor dem BEM Gespräch hat, dann empfehlen wir, auch im Vorfeld schon das Gespräch mit uns zu suchen. Manchmal kann es auch hilfreich sein, die Schwerbehindertenvertretung mit ins Boot zu holen, man kann sich also durchaus Unterstützung mitbringen.
Was können Sie anderen Betriebsräten mit auf den Weg geben?
Auf jeden Fall empfehlen wir, Schulungen zu besuchen. Bevor wir das gemacht haben, saßen wir manchmal völlig ahnungslos in den Gesprächen und wussten nicht, was man den Mitarbeitern überhaupt für Maßnahmen zu Gute kommen lassen darf. Oder auch bei der Gesprächsführung, da war es schon sinnvoll, einfach mal zu üben, wie man ein schwieriges Gespräch führen kann.
Darüber hinaus ist das Netzwerk, das wir in den Schulungen aufbauen konnten, immer noch sehr hilfreich für uns. Wo kommt man sonst so direkt mit Betriebsräten von anderen Unternehmen in Kontakt? Das hilft nicht nur beim Thema BEM sondern auch bei vielen anderen Fragen, die uns als Betriebsrat begegnen.