Vereinbarkeit – Geht das auch mit 3 Kindern?

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Letztendlich fing mein Weg mit einem Praktikum an. Mitten im Studium, gerade 21 Jahre alt, machte ich bei einer kleinen Unternehmensberatung ein Praktikum. Die beiden Inhaber der Beratung verdienten ihr Geld mit Seminaren, Moderationen und Coachings. Die ehrlichen Einblicke in ihre Arbeit weckten den Ehrgeiz in mir: Das möchte ich auch mal machen. Mein berufliches Ziel hatte ich recht früh schon vor Augen, aber passte das auch zu meinem privaten Lebensglück?

Meinen ersten Sohn erwartete ich mit 28. Das Praktikum lag schon einige Jahre zurück, war aber immer noch präsent. Nach einigen Jahren in der Personalentwicklung und im Recruiting entschied ich mich, noch einmal an die Uni zurück zu kehren. So kam es, dass unsere finanzielle Situation zum Zeitpunkt der Schwangerschaft noch ziemlich unsicher war. Mein Mann steckte gerade in den letzten Zügen seines Studiums in Düsseldorf, ich hatte eine 75% Stelle als Doktorandin an der Uni Kassel. Wir lebten also von einem festen Einkommen, einer Werkstudententätigkeit und führten zudem eine Fernbeziehung. Nicht unbedingt die optimalen Bedingungen, um sich auf dem Elterngeld auszuruhen und eine längere Auszeit zu planen. Daher stand für mich von vornherein fest, dass ich spätestens nach einem Jahr meine Tätigkeit an der Uni Kassel wieder aufnehmen würde. Da mir aber tatsächlich weniger das Geld als die Arbeit an sich fehlte, saß ich schon nach 10 Monaten wieder im Zug auf dem Weg nach Kassel. Glücklicherweise hatte mein Mann inzwischen eine Festanstellung bei einer Firma gefunden, die eine eigene Kita vorweisen konnte. So wurde unser Sohn an drei Tagen in der Woche in der kleinen, gut behüteten Firmen-Kita betreut. Mein Mann war an diesen drei Tagen „alleinerziehend“, da ich die weite Strecke nach Kassel nicht täglich zurücklegen konnte. Diese Zeit hat meinen Mann und meinen Sohn zusammengeschweißt. Auch wenn mir der Abschied jedesmal unglaublich schwer fiel, war es doch toll zu beobachten, wie wir Eltern von unserem Sohn als absolut gleichwertig betrachtet wurden, sei es beim Trösten oder beim ins Bett bringen. Insgesamt anderthalb Jahre hat dieses Modell für uns gut funktioniert.

…und dann kam Nummer 2

Unser zweites Kind kündigte sich an, als ich den Abgabetermin meiner Doktorarbeit vor Augen hatte. Eine Woche vor dem Entbindungstermin konnte ich die fertig gedruckte und gebundene Arbeit abgeben. Die stressigen Tage vor Abgabe der Arbeit haben den kleinen Mann in meinem Bauch sicherlich nicht ganz unbeeindruckt gelassen. Das hat sich nach der Geburt beispielsweise durch vermehrtes Schreien geäußert. Daher war zu Beginn der Elternzeit mit meinem zweiten Sohn an eine berufliche Tätigkeit überhaupt noch nicht zu denken. Glücklicherweise konnte mein Mann beim zweiten Kind nun auch Elternzeit nehmen. Er beschränkte sich auf die üblichen zwei „Vätermonate“, einen ganz zu Anfang, und einen am Ende des ersten Lebensjahres, da meine berufliche Situation mit dem Ende der Tätigkeit in Kassel nun eine gewisse Unsicherheit mit sich brachte. Während dieses Jahres reifte bei mir der Entschluss, meinen Wunsch, der durch das Praktikum entstanden war,  in die Tat umzusetzen. Ich hatte reichlich praktische und theoretische Erfahrung gesammelt und konnte selbst mit zwei schreienden Kindern im Rücken die Ruhe bewahren. Ich machte mich also selbstständig, spezialisiert auf meine favorisierten Themen: Gesundheit in der Arbeitswelt, Resilienz und betriebliches Gesundheitsmanagement. Die Selbstständigkeit hatte zudem den Vorteil, das Familienleben und den Beruf unter einen Hut bringen zu können, ohne mit Urlaubstagen jonglieren zu müssen und mich mit einem schlechten Gewissen zu plagen, wenn ein Kind erkrankt. Den zweiten Elternzeitmonat meines Mannes nutzte ich dazu, die Selbstständigkeit voran zu treiben. Ich besuchte Netzwerktreffen, hatte Akquisegespräche, machte mich mit der Wirtschaftsförderung in Krefeld bekannt, suchte mir eine Steuerberaterin und beantragte den Gründungszuschuss bei der Arbeitsagentur. Als zusätzliche Einnahmequelle konnte ich eine Dozententätigkeit bei einer privaten Fachhochschule antreten, aus der bald schon mehr werden sollte.

Zwei Kindern, zwei Jobs, was will man mehr?

Die nächsten zwei Jahre waren von Wachstum geprägt: Meine beiden Söhne wurden größer, die Selbstständigkeit warf immer mehr ab und die FH bot mir eine Professur an. Alles lief besser, als ich es mir damals, während meines Praktikums, erhoffen konnte. Und dann kündigte sich das I-Tüpfelchen an: unsere Tochter. Inzwischen ist sie 5 Monate alt, und sitzt gerade beim Verfassen dieses Artikels auf meinem Schoß. Eine richtige Pause habe ich diesmal nicht gemacht. Meine Selbstständigkeit lief weiter, Projekte mussten koordiniert und Termine abgestimmt werden. Das Semester an der FH ist gerade wieder gestartet, und die beiden großen Jungs haben auch Wünsche, Bedürfnisse und gelegentliche Krisen.

Wir gehören aktuell zu den ca. 700.000 Familien mit 3 Kindern unter 18 Jahren in Deutschland. Das sind 8 % aller Familien. Ein Blick auf die Statistiken verrät, dass bei diesen Familien das Armutsrisiko zunimmt. Jede fünfte Familie mit 3 Kindern ist davon bedroht, auf das Existenzminimum abzurutschen. Umso wichtiger ist es, dass die Ausbildung der Frau als entscheidender Faktor betrachtet wird. Denn keine Sparmaßnahme bringt auf lange Sicht so viel Rendite, wie eine gute Ausbildung. Auch bei uns hat sich zunächst mein Verdienst kaum gegen die Kitagebühren gerechnet. Anstatt dies aber als Argument zu werten, dann doch lieber die Promotion abzubrechen und bei den Kindern zu Hause zu bleiben, haben wir uns gemeinsam für die Fertigstellung der Doktorarbeit als Investition in die Zukunft entschieden.

Nun, nach 5 Monaten kann ich sagen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch mit 3 Kindern möglich ist. Das funktioniert nicht ohne weiteres, sondern nur mit einem guten Netzwerk, zuverlässiger Betreuung, engagierten Großeltern, flexiblen Arbeitgebern, einem voll eingebundenen Papa und einer ordentlichen Portion Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Die nächsten Jahre werden uns als eingespieltes Familienteam immer wieder herausfordern. Da warten noch der Kindergartenstart der Jüngsten, Einschulungen, Schulwechsel und sicherlich auch mal drei kranke Kinder gleichzeitig auf uns. Aber ich bin mir sicher, dass mit der nötigen Kompromissbereitschaft (fast) alles zu schaffen ist.

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Prof. Dr. Magdalena Bathen-Gabriel
Von Prof. Dr. Magdalena Bathen-Gabriel

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