Morgens Baby-Schwimmen, abends Hörsaal: Über das große Glück von Beruf und Familie

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Im März kam unser erstes Kind zur Welt. Trotz meiner damaligen, eher unsicheren Jobsituation und dem Entschluss, mich selbstständig zu machen, haben wir uns bewusst dazu entschlossen, ein Kind zu bekommen. Eine genaue Vorstellung davon, inwieweit mich mein dicker Bauch in der Schwangerschaft einschränken würde und was Schlafmangel bedeutet, hatte ich nicht. Ich hatte und habe Glück.

Schwangerschaft und Mutterschutz

In den letzten sechs Wochen vor der Entbindung tritt der Mutterschutz in Kraft, eine werdende Mutter darf dann nur noch mit Einwilligung beschäftigt werden. Zusätzlich gilt ein Beschäftigungsverbot mindestens für die ersten acht Wochen nach der Entbindung. Weitere Beschäftigungsverbote beziehen sich z.B. auf Akkord-, Nacht- und Sonntagsarbeit. Selbstverständlich zählt auch ein ärztliches Attest dazu.

Als ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, war ich bereits ein gutes halbes Jahr freiberuflich selbstständig. Ich verdiente mein Geld mit Personalschulungen, Coachings und Lehraufträgen. Mutterschutz und Beschäftigungsverbote greifen natürlich nur im Angestelltenverhältnis, daher musste ich meinen „Mutterschutz“ selbst planen. Die Lehraufträge stellten einen wesentlichen Teil meiner Einkünfte dar und da das Elterngeld im Fall der Selbstständigkeit auf Grundlage der Einkünfte des vorangegangenen Kalenderjahres berechnet wird, wollte ich auf diese Tätigkeit nicht verzichten. Nicht wahrgenommene Termine und abgesagte Aufträge werden natürlich nicht bezahlt. Eine Pause ab der 34. Schwangerschaftswoche war planerisch schwierig, also fand ich einen Kompromiss: Meine letzte Lehrveranstaltung hielt ich zu Beginn der 37. Schwangerschaftswoche.

Kurzum, ich hatte großes Glück. Meine Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen. Ich musste insgesamt nur drei einzelne Termine aufgrund von Krankheit verlegen oder gar absagen, die finanziellen Einbußen dadurch waren sehr überschaubar. Es war mir bis zur geplanten Auszeit möglich, mit dem Auto zur Hochschule zu fahren, obwohl ich vor dieser Situation mit dem rasant wachsenden Bauch große Sorge hatte. Da ich zunehmend Probleme hatte, lange in einer Position (sitzend, liegend, stehend) zu verharren und mich intensiv zu konzentrieren, bat ich um längere Korrekturfristen für Hausarbeiten. Man kam mir stets sehr wohlwollend und mit großem Verständnis entgegen. Als der Zeitpunkt dann schließlich kam und ich in meine Auszeit ging (der Korrekturstapel mit Hausarbeiten war immer noch sehr hoch…), war ich vor allem eins: Heilfroh, dass ich mich nun gänzlich ausruhen konnte, heilfroh, dass alles so gut geklappt hatte, heilfroh, dass medizinisch nie etwas gegen meine Tätigkeit gesprochen hatte, heilfroh, dass ich nicht mehr über die Autobahn fahren musste, heilfroh, dass ich finanziell gut da stand, und am allerwichtigsten: Heilfroh, dass es dem Baby und mir gut ging.

Elterngeld, Elternzeit und die ersten Monate mit Baby

Im sechsten Monat meiner Schwangerschaft trat ich vor die Berufungskommission einer privaten Hochschule. Beworben hatte ich mich vor meiner Schwangerschaft. Das Vorstellungsgespräch lief sehr erfolgreich, obwohl ich meinen Start um ein halbes Jahr verschieben musste –  ich plante also im September meine Arbeit als hauptberufliche Hochschuldozentin in Teilzeit aufzunehmen. Meine Tochter würde zu diesem Zeitpunkt ein halbes Jahr alt sein.

Laut dem statistischen Bundesamt haben im Jahr 2018 1,4 Millionen Mütter und 433.000 Väter Elterngeld bezogen. Die Tendenz ist vor allem bei den Vätern stark steigend. Im Durchschnitt beziehen Mütter 11,7 Monate ausschließlich Basiselterngeld bzw. 20 Monate Elterngeld mit geplantem Elterngeld Plus (z.B. weil in Teilzeit gearbeitet wird). Väter beziehen Elterngeld durchschnittlich 3 Monate bei ausschließlichem Basiselterngeld und 8,9 Monate bei Bezug von Elterngeld Plus.

Für meinen Mann war von Anfang an klar, dass er Elternzeit in Anspruch nehmen möchte, auch über die klassischen zwei Monate hinaus. Aufgrund seiner Außendiensttätigkeit kam eine Elternteilzeit nicht in Frage. Wir rechneten, planten, ließen uns beraten, füllten Anträge aus und kamen zu dem Ergebnis, dass mein Mann mit Beginn meiner Teilzeittätigkeit für vier Monate in Elternzeit gehen würde. Ich würde das erste halbe Jahr Basiselterngeld beziehen und dann Elterngeld Plus.

Ca. sechs Wochen nach der Geburt fanden wir einen ersten Rhythmus, der es mir ermöglichte, feste Termine wahrzunehmen und immer mal wieder an den Schreibtisch zurück zu kehren. Nun konnte ich Hausarbeiten korrigieren, zum Baby-Turnen gehen und wir fanden gemeinsam eine Art „Alltag“. Mein Mann ging nach vier Wochen Urlaub (für den ich sehr dankbar war) wieder arbeiten. Ein weiteres Mal hatten wir großes Glück: Die Anzahl an Dienstreisen war vergleichsweise gering und sie dauerten nie länger als ein paar Tage. Durch Homeoffice und Bereitschaftszeiten konnten wir uns viel gemeinsam um unser Kind kümmern. Unsere Tochter war stets (bis auf kleine Ausnahmen) gesund, glücklich, genügsam und geduldig mit uns. Lediglich der Schlafmangel bereitete mir Sorgen. Würde ich es schaffen, wieder arbeiten zu gehen, obwohl ich nicht eine einzige Nacht vernünftig schlafen konnte? Je näher der September rückte, desto mehr Bedenken hatte ich… In der Woche vor meinem Arbeitsbeginn schlief unsere Tochter schließlich das erste Mal durch. Nicht jede Nacht, nicht planbar, aber es war plötzlich möglich. Wieder Glück gehabt!

Wieder in Arbeit

Die Hochschule, für die ich tätig bin, zeichnet sich dadurch aus, dass sie berufsbegleitende Studiengänge anbietet. Die Lehrveranstaltungen finden überwiegend abends und samstags statt. Die Vorlesungstermine werden aufwändig und im Voraus geplant, meine Wünsche an bestimmten Wochentagen nicht und an anderen nur möglichst selten eingesetzt zu werden, wurden zu 100% berücksichtigt. Das ermöglicht es mir, mich tagsüber auf meine Tochter zu konzentrieren, morgens und mittags zu Spielgruppen und zum Baby-Schwimmen zu gehen und eben abends und samstags zu arbeiten. Dadurch, dass mein Mann nun in Elternzeit ist, kann ich zu Hause in Ruhe meine Lehrveranstaltungen vorbereiten und selbst wieder einigermaßen regelmäßig Sport treiben. Unsere Familien wohnen im fußläufigen Umkreis, wir erhalten fantastische Unterstützung durch die Omas. Dennoch hatte ich in der ersten Woche meines beruflichen Wiedereinstiegs Bedenken: Ich hatte in den letzten sechs Monaten (bis auf vereinzelte Ausnahmen, die man an einer Hand abzählen kann) mein Kind jeden Abend ins Bett gebracht, hatte auf wiederkehrende Abläufe und Rituale geachtet und war nie länger als ein paar Stunden ohne Kind unterwegs gewesen. Ich war froh, dass es so gut lief und sorgte mich um mögliche Auswirkungen auf das Kind, wenn ich nun öfters weg war. Keine meiner Befürchtungen ist bisher eingetroffen, ich hatte mehr Probleme mit meiner Abwesenheit als mein Kind  – welch ein Glück!

Fazit und Ausblick

Wir haben großes Glück – ein gesundes Kind, gute Jobs, wir kümmern uns gemeinsam um unser Kind, ich kann in Teilzeit arbeiten und habe Mitsprachemöglichkeiten bzgl. der Einsatzzeiten und –orte. Ich kann viel von zu Hause aus erledigen, wir haben unsere Familien nebenan und kommen mit Elterngeld und Teilzeitgehalt super aus. Ich bin dankbar dafür und sehr froh, dass ich nicht Vollzeit, jeden Tag, abwesend von zu Hause arbeiten muss. Wir haben die Freiheit, uns zu entscheiden, wann und in welchem Umfang unser Kind in die KITA oder zur Tagesmutter gehen wird. Wenn ich Stress habe und zeitlich, nervlich und emotional Prioritäten setzen muss, dann geschieht dies nach dem Motto „Jammern auf hohem Niveau“. Nach der Elternzeit meines Mannes werden manche Dinge neu oder anders geregelt, mehr Kompromisse geschlossen werden müssen. Aber es wird gehen. Ich empfinde großen Respekt vor den Müttern und Vätern, die es schaffen, Beruf und Familie unter ganz anderen Bedingungen zu vereinbaren. Vor denen, die alleinerziehend sind, finanziell auf Vollzeitstellen angewiesen sind, nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen können, deren Kind besondere Bedürfnisse hat und, und, und. Ich habe wirklich großes Glück!

 

 

 

Über den Autor

Prof. Dr. Nora Walter
Von Prof. Dr. Nora Walter

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